Mittwoch, 5. August 2020
Einsame Orte...
Gestern Abend bin ich in der frischen Luft ein wenig spazieren gegangen. Es passt einfach gut in diesen Blog, daher möchte ich das, was mir passiert ist, einfach niederschreiben.

Ich ging hoch zur nahegelegenen Burg. Eine ehemalige Festungsanlage ziert diese Stadt. Von dort aus hat man einen tollen Ausblick über die gesamte Altstadt. Oben ist nochmal ein kleiner Turm, den man besteigen kann. Aber es sind Leute oben, also lasse ich es. Das Hauptgebäude ist für Besucher normalerweise gesperrt.

Gestern allerdings hatten sich auch auf dem Dach des Hauptgebäudes Leute herumgetrieben. Meine Neugier wurde geweckt und ich sah nach, ob ich nicht irgendwie doch reinkäme. Das Haupttor zum Innenhof war geöffnet. Ich lief über den ehemaligen Graben zum Tor und stand im Torbogen. Es schien eine Veranstaltung zu geben. Security kontrollierte die Leute, die sich in Listen eingetragen hatten. Beachteten mich garnicht.

Nach Links ging es in das Gebäude rein. Ich riskierte einen Blick. Niemand da. Alles irgendwie heruntergekommen. Die Fenster zerschlagen und staubig. Spinnennetze. Als wäre niemand hier gewesen. Und so komisch, dass im Innenhof dieser Trubel stattfand. Es war dunkel und kalt. Ich ging geradeaus. Und das Licht ging an. Ein Bewegungsmelder. Scheinbar wurde das Gebäude ja noch irgendwie genutzt. Aber wofür? Alles sah so zerstört aus.

Ich kam an einem runden Raum an. Der südliche Hauptturm. Nach rechts führte ein dunkler Gang runter. Nach links ein beleuchteter nach oben. Ich folgte dem Weg nach oben. Meine Augen erfassten schnelle Schatten, die an mir vorbeigeflogen sind. Waren es Fledermäuse? Ich versuche genauer hinzusehen. Es waren Fledermäuse.

Mit ein wenig Herzklopfen ging ich weiter nach oben. Geduckt, um nicht mit den Fledermäusen zu kollidieren. Und leise, um sie nicht zu erschrecken. Im Winter sollen Fledermäuse geschützt werden, aber im Sommer ist das meines Wissens ok, was ich getan hatte.

Der Gang wollte kein Ende nehmen. Die Decke wurde zunehmend niedriger, mein Gang zunehmend geduckter. Und dann vor mir eine braune Stahltüre mit einer Warnung. Eine Warnung vom Förderverein zum Erhalt von denkmalgeschützten Teilen der Festung. Eine Warnung, in welcher vor den Gefahren auf dem Dach gewarnt wird. Ich mache die Türe auf. Reflexartig greife ich auf die andere Seite der Türe um, um zu prüfen, ob ich auch wieder rein kommen würde.

Ich habe glück. Es ist eine Klinke und kein Knauf. Und das Drücken der Klinke öffnet die Türe auch wirklich. Ich trete raus und sehe die Leute, die ich von unten gesehen habe. Ich laufe ein wenig herum. Nicht zu den Leuten.

Einer ruft: "Geh da nicht weiter! Da sind Bienen!". Ich drehe mich zu ihm um. Er spricht weiter: "Wer bist du denn?" Es fragt mich ein junger Mann, so in meinem Alter. Neben ihm eine Gruppe junger Frauen, ebenfalls so in meinem Alter. Ich denke mir: "Der hat mir doch garnichts zu sagen", und antworte nicht. Er macht mir deutlich, dass er hier sein darf und Schlüssel für die Festung besitzt. Die ganzen Mädels? Nunja, die wollte er einfach nur beeindrucken. Die Türe am Eingang hat er offen vergessen.

Leicht in Panik begab der junge Mann sich zu mir und hat gefragt, ob ich alleine hier hoch sei. Ich bejahte. Ich erläuterte ihm, dass ich nicht gewusst habe, dass man hier nicht hoch dürfe. Seine private Party habe ich wohl gesprengt. Er bat mich, jetzt nicht einfach wegzulaufen. In der Festung könne man sich verlaufen, wenn man aus Versehen in den Keller hinabsteige. Ich wartete.

Er trommelte seine Mädels zusammen. Alle gemeinsam gingen wir wieder runter. Die Mädels filmten alles, was sich filmen ließ mit ihren Telefonen. Sie nervten mich ungemein mit ihrem Gekicher und Gelächter. Am Ausgang angekommen unterhielt ich mich noch ein wenig mit dem Typen. Die Mädels waren sichtlich desinteressiert und gingen alsbald wieder zur Veranstaltung am Innenhof. Scheinbar war es ein Konzert.

Der Festungs-Typ (mir fällt im Moment kein besserer Name für ihn ein) ist ein Schauspieler, der in Bälde in der Festung ein Theaterstück aufführen wird. Und er hat mir allerlei Dinge erklärt, darüber wie interaktiv das ganze sein wird, und wie revolutionär er die Idee findet. Über seine Theatergruppe und wo er studiert und wo er schon alles gespielt hat.

Ich muss zugeben, so nervig ich das alles fand. Es hat meine Gedanken so dermaßen zerstreut, dass ich erfolgreich meinem Alltag entfliehen konnte. Über den gesamten Zeitraum meines kleinen Abenteuerausfluges dachte ich keine Sekunde an mein erbärmliches Leben.

Guten Tag, guten Abend oder gute Nacht, wer auch immer das hier bis hier hin gelesen hat

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